MOUNTAIN-PEOPLE News - Dezember 2020 60 - www.mountain-people.de - Outdoor - Hiking - Trekking - Wandern - Natur - Berge und mehr...

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BERGWELTEN VERLAG - Markus Fleischmann / Jan Mersch / Helmut Mittermayr - Lawinen - Erkennen Beurteilen Vermeiden

Lawinengefahr erkennen, Risiko beurteilen, Unfälle vermeiden, Bergung sicherstellen – Schlüsselfähigkeiten und richtige Strategien der angewandten Lawinenkunde und -rettung von Experten: „Lawinen – das neue Standardwerk“. Die Lawinenkunde hat sich in den vergangenen zehn Jahren wesentlich weiterentwickelt. Man kann die Gefahr erkennen. Man kann das Risiko beurteilen. Man kann die Auslösung vermeiden. Doch dazu reichen weder der Wetterbericht noch irgendwelche Apps, sondern nur fundiertes Wissen und Erfahrung. Das hochkompetente Autoren-Trio Mersch/Fleischmann/Mittermayr vermittelt in ihrem Standardwerk für Tourengeher und Freerider auf verständliche Weise alle notwendigen Grundlagen nach aktuellstem Wissensstand der Lawinenforschung und aus jahrzehntelanger eigener Erfahrung in den Bergen.

Dabei erklären sie die verschiedenen derzeit üblichen Beurteilungsmethoden und wie diese in einer einfachen Entscheidungsstrategie zusammengeführt werden, die somit für jeden anwendbar wird. Da
die effiziente Verschüttetensuche und Kameradenrettung für den Notfall ebenso notwendig ist, wird die dafür schnellste und effizienteste Technik verständlich vorgestellt.

Helmut Mittermayr, Jahrgang 1968, ist staatlich geprüfter Berg- und Skiführer, Notfallsanitäter und Flugretter. Als langjähriger Kursleiter in der Bergführer- und Bergrettungsausbildung ist er die mitwirkende Instanz für die standardisierte Lehrmeinung. Er stammt aus Grünau im Almtal. „Viele leben nach dem Motto: Schnell hin zum Ort der Tätigkeit, dann wieder weg. Sie hätten mehr davon, wenn sie sich Zeit nehmen würden, um die Natur zu verstehen und zum Einklang mit ihr zu finden.“

Jan Mersch, geboren 1971, nutzt seine Erfahrung als Psychologe und die Erlebnisse aus dreißig Jahren Bergführerberuf maßgeblich für seine Beschäftigung mit der angewandten Lawinenkunde. Mit seiner Familie lebt er im Chiemgau. „Für mich ist das Bergsteigen wichtig, um Themen zu sortieren, die mich beschäftigen. Das klappt vor allem, wenn ich jeglichen Leistungsgedanken zu Hause lasse. Danach fühle ich mich zentriert und erfrischt.“

Markus Fleischmann, Jahrgang 1978, ist staatlich geprüfter Berg- und Skiführer. Als diplomierter Geograf ist er Spezialist für Lawinenprognostik. Im DAV zeichnet er sich als Bildungsreferent für die Ausbildung angehender Alpintrainer verantwortlich. „Im Winter können die Ski eigentlich nicht breit genug sein…“

Bergwelten Verlag, 330 Seiten
ISBN: 978-3-7112-0030-3| 35 EUR; 47,90 CHF
E-Book ISBN: 978-3-7112-5019-3 | 26,99 EUR; 38 CHF
Erscheinungstermin: 21.01.2021
mit zahlreichen Illustrationen, Tabellen und Fotos

Vorbemerkung der Autoren
Lawinengefahr zu erkennen und das damit zusammenhängende Risiko zu bewerten, stellt für Wintersportler im freien Gelände das Hauptproblem dar. Keine andere alpine Gefahr konfrontiert mit ähnlich großen Herausforderungen. Die Materie Schnee und die Schneedecke, die sich im Laufe eines Winters bildet, unterliegen thermodynamischen Prozessen in einem chaotischen System. Selbst die hohe Schule der theoretischen Physik ist bis heute nicht in der Lage, das Phänomen Lawine in seiner Gesamtheit zu beschreiben. Auch nach Jahren intensiver Beschäftigung mit den komplexen Themenbereichen Schnee und Lawinen erlebt man immer wieder Überraschungen: Einerseits Hänge, die entgegen aller Einschätzungen stabil bleiben, andererseits Schneebretter, die sich in relativ flachen Hängen bei niedriger Gefahrenstufe lösen.

Angesichts dieser Tatsache erscheint es fast anmaßend, mit welcher Überzeugung wir gerne glauben möchten, die Lawinengefahr beurteilen zu können. Hinzu kommt, dass die Güte unserer Entscheidungen in hohem Maß von unserer Wahrnehmung, unserer Psyche und letztendlich unserem daraus resultierenden Verhalten abhängt. Der Versuch, uns die Natur zu unterwerfen und nach unseren Wünschen zu benutzen, stellt oft die Hauptursache für Lawinenunfälle dar.

Das Risiko, dem wir am Berg ausgesetzt sind, verursachen wir letztendlich durch unser eigenes Handeln. Erst indem wir hinausgehen in die friedliche weiße Gebirgslandschaft, wird die dort existierende Gefahr relevant und somit zur Bedrohung für uns. Zuhause auf dem Sofa stellen Lawinenabgänge im Hochgebirge keine Gefahr für uns dar. Spätestens als Werner Munter, Schweizer Pionier in der Lawinenkunde, in den 1990er-Jahren seine Strategie „3x3“ und die Reduktionsmethode vorstellte, fand in der praktischen Lawinenkunde ein Paradigmenwechsel statt: Risikooptimierung statt Sicherheitsdenken. Das Zusammenspiel von meteorologischen, schneephysikalischen und geländetypischen Faktoren, die für die Stabilität im Steilhang verantwortlich sind, ist hochkomplex und chaotisch – eine sichere Beurteilung ist nicht möglich. Die Abschätzung des Risikopotentials und der Gefährdung mithilfe von Annäherungs- und Hilfsmitteln kann hier weiterhelfen.

Mit vielen Inhalten und Themen dieses Buches wird die Leserschaft auf die eine oder andere Weise – durch Bücher, Fachzeitschriften oder Ausbildungen – vielleicht schon in Berührung gekommen sein. Und doch wollen wir einen Überblick geben, was derzeit als probater Weg im Umgang mit der Lawinengefahr Anwendung findet. Wir glauben, dass es an der Zeit ist, den Erkenntnisstand der Lawinenkunde einer breiteren Leserschaft gut aufbereitet zugänglich zu machen. Die neuesten Erkenntnisse der analytischen Schneekunde werden hier erstmals konkret zusammengefasst, kategorisiert und mit einem Bewertungsschema verknüpft. Dadurch ergibt sich eine klare Handlungsableitung. Des Weiteren wird mithilfe von Unfallanalysen die probabilistische Risikobeurteilung weiter evaluiert. Eine immerhin schon 20 Jahre alte Strategie wird so in vielen Details optimiert und in ihrer Wirksamkeit bestätigt. Die Bausteine für eine umfassende Beurteilung der Lawinengefahr werden dabei im Rahmen einer klaren Strategie strukturiert und vernetzt, sodass eine praxistaugliche Entscheidung im Gelände für Anwender aller Erfahrungs- und Wissensstufen möglich wird. Auch dem Anfanger in angewandten Lawinenkunde soll es möglich sein, sein Risiko im lawinengefährdeten Gelände mit einfachen Maßnahmen grob einzuordnen. Dem Fortgeschrittenen wird ein breites Spektrum an Beurteilungsmöglichkeiten und Hintergrundwissen präsentiert, das an die Situation angepasst angewandt und interpretiert werden kann. Auch in der Verschüttetensuche hat sich in den letzten Jahrzehnten sehr viel getan. Die Maßnahmen bei einer Lawinenverschüttung wurden immer weiter optimiert und für die Helfer vereinfacht. Dabei spielt die kontinuierliche Verbesserung der Notfallausrüstung eine wesentliche Rolle. Vor allem die technisch hochwertige Ausrüstung reduziert die Dauer der Suche und erhöht damit die Chance auf eine effektive Rettung.

Selbst die umfassendste Ausbildung wird nie in der Lage sein, alle Unsicherheiten in der Einschätzung von Lawinengefahr aus dem Weg zu räumen. Und trotzdem ist es wichtig, sich mit Lawinengefahr auseinanderzusetzen und die Signale deuten zu lernen. Nur so ist es möglich, eigenverantwortlich und bewusst mit der Gefahr umzugehen und diese in den meisten Fallen dann auch meistern zu können. Nichts ist schlimmer, als sich selbst – und oft genug auch andere – aus Unwissenheit einem zu großenRisiko auszusetzen. Im Umgang mit Lawinengefahr ist Demut der Schlüssel. Auch dann, wenn die daraus resultierende Erkenntnis häufig zum Verzicht führt und dasin unserer heutigen erfolgsorientierten Gesellschaft schwierig und unangenehm ist. Mit diesem Buch hoffen wir, unsere insgesamt 100-jährige Überlebenserfahrung aus der Praxis im Schnee für euch greifbar zu machen. Wir wünschen euch viel Freude bei der oft auch mühsamen Beschäftigung mit dem Thema Lawinen, gute Entscheidungen, den besten Schnee und manchmal auch das letzte Quäntchen Glück.

Jan Mersch, Heli Mittermayr und Markus Fleischmann - Im Corona-Herbst 2020 zwischen Totem Gebirge, Chiemgau und München

Weitere Informationen unter www.bergwelten.com
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